Zwischen Krieg und Frieden - Die Entnazifizierung Deutschlands 1944-1946 by Taylor Frederick

Zwischen Krieg und Frieden - Die Entnazifizierung Deutschlands 1944-1946 by Taylor Frederick

Autor:Taylor, Frederick
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch, Geschichte
Herausgeber: Bloomsbury Verlag
veröffentlicht: 2011-08-28T16:00:00+00:00


Verurteilungen

15

Freisprüche

1

eingestellte Verfahren

4

ausstehende Verfahren

14032

Nichts weist darauf hin, dass sich diese Situation in den folgenden Monaten gebessert hätte. Ein Problem war, dass viele deutsche Juristen den Verkauf von Zigaretten zu einem überhöhten Preis nicht für ein strafwürdiges Vergehen hielten. Die hier wie in vielen anderen Bereichen der Besatzungsverwaltung überforderten Briten waren gezwungen, auf die Notfallbestimmungen der von den Nationalsozialisten im November 1940 erlassenen Kriegswirtschaftsverordnung zurückzugreifen. Als ein deutscher Staatsanwalt Einspruch dagegen erhob, diese Bestimmungen auf Zigarettenhändler anzuwenden, suchten die CCG-Juristen beim Londoner Hauptquartier Rat. Dessen Empfehlung war, wie kaum anders zu erwarten, zwiespältig. Auf den Einwand, die von den Nationalsozialisten stammenden Bestimmungen seien nur im Kriegsfall anwendbar (»Einwand C«), erwiderte London in meisterlicher Ausgewogenheit:

»Es trifft natürlich zu, dass die Kriegswirtschaftsverordnung Schwierigkeiten der Kriegszeit beheben sollte. Gleichwohl ist die Verordnung nicht außer Kraft gesetzt, und die Seltenheit der Güter, die der Anlass für die Vorschriften der Abschnitte 22 bis 28 über ›Kriegspreise‹ war, besteht weiterhin und hat sich seit 1939 verstärkt. Dies gilt insbesondere für Lebensmittel und Zigaretten. Daher scheint kein ausreichender Grund für die Annahme vorzuliegen, dass die Anklage, englische Zigaretten zu einem überhöhten Preis verkauft zu haben, von einem deutschen Gericht aufgrund von Einwand C abgewiesen wird. Andererseits kann nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden, dass eine solche Anklage zu einer Verurteilung führen würde.«33

Der einzige sichere Weg zu einer nennenswerten Begrenzung des schwarzen Markts wäre eine zuverlässige Versorgung mit ausreichenden Lebensmittelrationen gewesen, und dies wurde in keiner Besatzungszone erreicht. Solange die Deutschen nicht genug zu essen und nicht genug Heizmaterial hatten, solange sie entweder nicht in der Lage oder durch Tausende von Besatzungsvorschriften daran gehindert waren, die Zahlungsmittel dafür zu verdienen, solange das deutsche Geld zudem kaum Wert hatte, war die Entstehung einer Parallelwirtschaft unvermeidlich.

»Die Zigarette«, heißt es in einem anderen britischen Bericht, einem Überblick über größere Schwarzmarktaktionen der Wirtschaftsinformationsabteilung der CCG in Berlin, »ist das A und O des schwarzen Markts. Sie hat die Reichsmark als normale Währung ersetzt. Zusammen mit Schokolade und Alkohol aus alliierten Geschäften und Kantinen stellt die Zigarette wahrscheinlich eine der größten Bedrohungen der Finanzstabilität des Landes dar.« Der Bericht kommt zu dem Schluss:

»Illegaler Handel in Deutschland und von Deutschland aus über seine Grenzen haben zusätzlich zu gewöhnlichen Schwarzmarktaktivitäten beispiellose Ausmaße erreicht, die das Wenige, was von seiner finanziellen und ökonomischen Struktur übriggeblieben ist, zu ruinieren drohen. Obwohl Berlin sich zum internationalen Zentrum dieser illegalen Transaktionen entwickelt hat, spielen auch andere Städte in den Westzonen eine große Rolle. In der britischen Zone ragt Hamburg heraus, während in der amerikanischen Zone Frankfurt und München an der Spitze liegen.

Alle Nationalitäten scheinen beteiligt zu sein, einschließlich einer großen Zahl alliierter Kräfte, die jetzt in offizieller Eigenschaft in Deutschland arbeiten.

So gut wie jede Untersuchung fördert einen neuen Aspekt dieses schwarzen Bildes zutage und bringt eine weitere Liste von beteiligten Personen hervor …«34

Der Ton des Berichts ist zutiefst pessimistisch. Dennoch empfahl er, wie in solchen Vorlagen üblich, weiteres energisches Handeln. Es gibt jedoch keinerlei Anzeichen dafür, dass damalige oder spätere Operationen die Parallelwirtschaft in irgendeiner Weise beeinträchtigen konnten. Und natürlich waren viele alliierte Soldaten tief und auf allen Ebenen in Schwarzmarktaktivitäten verstrickt.



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